Das Wiener Kontrabaß-Archiv wurde 1974 von Alfred Planyavsky gegründet und im Rahmen der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek inkorporiert (Fonds 72). Sein Zweck dient der Erforschung, Analyse und der womöglich praktischen Erprobung hauptsächlich außer-orchestraler Kompositionen für das tiefste der vier Streichinstrumente des Orchesters.
Die aus der Sicht des 19. Jh. gewählten Besetzungen bei Editionen vorklassischer Werke tendieren nicht selten dazu, den Begriff „Violone“ (je nach Bedeutung des Parts) für Violoncello oder Kontrabaß zu interpretieren, obwohl die Quellen von Michael Praetorius bis J.S. Bach, von Adriano Banchieri bis Georg Muffat den Violone als Kontrabaß ausweisen. Durch die, bis in unsere Zeit nachwirkende Editionspraxis, verschwand der Violone aus der Musikpraxis.
Daher war es unser Hauptanliegen, die historische Rolle des Barockkontrabasses Violone als „große Baßgeige“ (nicht Baßvioline!) auf quellenkundlicher Basis darzustellen und damit die immer noch nachwirkenden Mißdeutungen und Fehlinformationen über seine Familienzugehörigkeit und seine Klangidentität aus der Welt zu schaffen. Voraussetzung für die authentische Darstellung war die Konzentration auf originale Dokumente, darunter etwa 2000 unbearbeitete Kompositionen, einschließlich ursprünglicher Orchesterbesetzungen aus 500 Jahren, unkommentierte Traktate, Schulwerke, Biographien etc.
Dabei bestätigte sich die historische Rolle des Violone als tiefste Gambe, die sich am Beginn der Generalbaßzeit zur eigenen Spezies mit verschiedenen Stimmungen entwickelt hatte. Mit Hilfe dieser Dokumente gelang es auch, den Anteil des Kontrabasses an der Triosonate und im Divertimento, jenseits üblicher Geschmacksurteile, zu dokumentieren.
Allein der mengenmäßige Anteil des Kontrabasses an kammermusikalischen und orchestralen Besetzungen wirft ein überraschendes, vielleicht sogar verstörendes Licht auf bisher unumstößliche Konventionen. Gemäß dem Stand von 2010 sind es:
- 881 Duette
- 842 Trios
- 570 Quartette
- 901 Quintette
- 503 Sextette
- 343 Septette
- 390 Oktette
- 311 Nonette
Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass Kontrabassisten auf der Suche nach Selbstdarstellung außerhalb des Orchesters praktisch jeden Tag des Jahres mit authentischen Kammermusikprogrammen aufwarten könnten, wie jedes andere Streichinstrument - vorausgesetzt, sie machen sich die Mühe, diese Werke aus dem Archivschlaf zu wecken.
Innerhalb der Archiv-Konzerte (bis 2004) wurden bisher folgende Solisten zu eigenen Konzertabenden eingeladen:
- Ludwig Streicher (fünf Abende)
- Fernando Grillo
- Alois Posch
- Gary Karr
- Barbara Hirschvogel
- Laura McCreery
- Norbert Duka (abgesagt)
- Chun-Schian Chou (Taiwan)
Als Kammermusik- Ensembles waren zu Gast:
- Das „Gürtler-Trio“ (zweimal)
- Das „Philharmonische Duo Berlin“
- Das „Gamerith-Ensemble Graz“
- In den Konzerten des „Kammermusikensembles der Wiener Philharmoniker“ und in den zwei Dutzend Tonbandaufnahmen (ORF-Archiv) verzeichneten wir 74 „Erstaufführungen in unserer Zeit“ und 5 Uraufführungen.
Das Wiener Kontrabaß-Archiv ist ein Appell zur Besinnung auf die historische Rolle des Kontrabasses, ein Mahnmal versäumter Aktivitäten, ein Brunnen für professionelle Leistungsspitze und ein Beichtstuhl für süskindliche Phantasmagorien über „Des Basses Grundgewalt“.